Das Jahr 2010 beginnt mit einem Aufschrei in der Szene der „ethischen Mode“. Grund hierfür war ein Artikel in der Financial Times Deutschland (FTD) von Mitte Januar. Dort war von verunreinigter Biobaumwolle die Rede, der gentechnisch-veränderte Baumwolle (GM bzw. Bt-cotton) beigemischt worden sei. Namentlich wurden die Zertifizierer Control Union und Ecocert genannt, sowie die Händler H&M, C&A und Wal-Mart.
Was nun genau dahinter steckt lässt sich immer noch nicht klar fassen. Neue Einblicke verschaffte uns aber ein Expertenvortrag auf der BioFach-Messe mit dem Titel: „GM cotton at H&M and C&A – scandal or not?“. Die BioFach in Nürnberg ist die Leitmesse der gesamten weltweiten Biobranche. Dementsprechend namhafte Experten nahmen zu diesem Thema Stellung.
Das Wichtigste aus diesem Vortrag:
1. Ja, es stimmt! Es gibt ein Problem mit GM cotton, vor allem in Indien.
2. Der Artikel der FTD bezieht sich jedoch auf das Jahr 2008 und ist wohl deutlich aufgebläht. Wie hoch der Anteil von GM cotton tatsächlich war kann technisch noch nicht festgestellt werden. Die heute verfügbaren Tests erlauben lediglich eine Ja-oder-Nein-Aussage. Ob der Anteil also über den laut GOT-Standard legalen 0,5 %-Anteil, oder gar bei 30, 40 oder 50 % liegt, kann nicht ohne weiteres beantw
ortet werden. Moment mal!? Es ist eine legale Menge GM cotton selbst in Baumwolle aus kBA (kontrolliert biologischem Anbau) erlaubt? Ja, und das aus gutem Grund: GM cotton ist inzwischen so weit verbreitet (Abb.), dass ohne dieses Fenster kaum mehr an einen Vertrieb von Biobaumwolle zu denken wäre (Der Abbildung aus dem Kartenarchiv von Le Monde Diplomatique liegen Daten aus dem Jahr 2005 zugrunde. Aktuelle Daten gibt es hier). Erstens gibt es nämlich keine gesetzlich festgelegten Pufferzonen zwischen GM cotton-Feldern und nach ökologischen Standards bewirtschafteten Äckern. Die Gefahr des Pollenflugs ist kaum abzuschätzen. Des Weiteren werden konventionelle Baumwolle und kBA Baumwolle oft in ein und derselben Fabrik weiterverarbeitet. Hierfür verlangen die Standards zwar eine strikte Trennung, aber bereits kleinste Spuren an Maschinen können den oben erwähnten Test positiv ausfallen lassen.
- Le Monde Diplomatique 2007 http://www.monde-diplomatique.de/pm/.karten/index
3. Das Problem liegt nicht in der Biobranche oder und nicht zwingend bei den Zertifizierern, sondern ist ein eher indientypisches Problem: GM cotton ist dort außerordentlich weit verbreitet, was einerseits an der Unwissenheit kleiner indischer Bauern liegt, und andererseits am aggressiven Vorgehen der Hersteller GM Saatguts. Augenzeugen berichten, dass Firmen (namentlich Monsanto) auf die Bauern zugehen und ihnen bessere Ernten und höhere Erträge versprechen – natürlich ohne sie auf die möglichen Folgen hinzuweisen. Wozu auch? Monsanto verteilt(e) kostenlos Saatgut, sowohl an konventionell arbeitete Bauern, als auch an bereits nach Sozial- und Ökostandards zertifizierte Betriebe. Diese nehmen das großzügige Geschenk dankend an, ohne zu wissen, dass dies der Einstieg in einen Teufelskreis ist. GM-Saatgut hat nämlich für die Hersteller den großen Vorteil, dass es auf Einjährigkeit getrimmt ist, sprich, es kann nur eine Saison angebaut werden. Im folgenden Jahr müssen die Bauern das Saatgut erneut kaufen, was jene in die Abhängigkeit großer Konzerne treibt.
Aber damit nicht genug. Ist ein Bauer bereits zertifiziert (z.B. nach GOTS), ist der Anbau von GM cotton streng untersagt. Das ist gut, richtig und es ist auch das was die Verbraucher hierzulande fordern. Baut der Kleinbauer/die -bäuerin nun unwissentlich das kostenlose Saatgut von Monsanto an, bricht er oder sie den Vertrag mit dem Zertifizierer, und kann so seine Ware nicht mehr anbieten – und das über Jahre hinweg, da die Richtlinien (von GOTS bspw.) dies fordern. Er hat dann die Wahl: Entweder er bleibt auf seiner Baumwolle sitzen, oder er begibt sich fortan in die Abhängigkeit skrupelloser Konzerne. Fakt ist, er hat keine Wahl! Der Kleinbauer kann nicht auf die Einnahmen der nächsten drei Jahre verzichten.
Wie die tragische Selbstmordwelle unter indischen Bauern (Links) zeigt, ist Gentechnologie generell kein Ausweg, ja nicht mal eine Alternative, sondern lediglich der Beginn einer ausweglosen Situation.
Was können wir hier in Deutschland dagegen tun? Es sei dahingestellt, ob es sich beim aufgedeckten Skandal um eine wissentliche Täuschung, sprich Betrug, um eine skandalöse Vorgehensweise von Monsanto (u.a.) oder doch nur um eine Verunreinigung von Baumwolle aus kbA handelt. Fest steht nur, dass sich die gentechnisch-veränderte Baumwolle weiter auf dem Vormarsch befindet, und die Mittel mit denen die Verbreitung weiter vorangetrieben wird, mehr als fragwürdig sind. Wem das egal ist, kann weiterhin Klamotten bei Kik, H&M und den anderen üblichen verdächtigen einkaufen. Wer nicht will, dass gentechnisch-veränderte Organismen an die eigene Haut gelangen, ist mit zertifizierter Biobaumwolle immer noch am besten beraten.
Jedoch ist nicht jeder Textilstandard gleich stark. Licht ins Dunkel wollen wir mit dieser Seite bringen. Schau aufs Wiki, dort bekommst du alle Infos die du brauchst.
Einige Artikel:
http://www.ftd.de/unternehmen/industrie/:trendgeschaeft-biotextilien-betrug-mit-angeblicher-biobaumwolle/50063980.html
http://www.ftd.de/unternehmen/industrie/:agenda-das-geschaeft-mit-falscher-biowolle/50063966.html
http://www.ftd.de/wissen/technik/:biobaumwolle-die-kunden-getaeuscht/50063961.html
http://www.taz.de/1/zukunft/konsum/artikel/1/skandal-um-falsche-bio-baumwolle/